Vom umtriebigen Gesetzgeber

  • 2018-08-14T09:16:10+02:00

Die aktuelle Bundesregierung hält vorerst ein, was sie im Regierungsprogramm versprochen hat: Es wird dereguliert und novelliert - also vorerst eher novelliert als auch schon dereguliert. Aktuell haben wir es im öffentlich Recht im Allgemeinen und im Umwelt- und Verfahrensrecht im Besonderen gleich mit einer Vielzahl an gesetzgeberischen Initiativen zu tun.

Hier findet sich ein Überblick über die wesentlichsten davon:

 

Änderung von AVG und VStG

Bereits durch den National- und den Bundesrat ist eine Novelle zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen. Mit Fokus auf das Anlagen- und Umweltrecht bringt es durchwegs einige Neuerungen mit sich:

  • Schluss des Ermittlungsverfahrens bei Entscheidungsreife durch Verfahrensanordnung samt - und das ist neu - achtwöchiger Frist zur Bescheiderlassung, da sonst das Ermittlungsverfahren wieder “eröffnet” ist;
  • Änderungen des verfahrenseinleitenden Antrags sind nur noch bis zum Schluss des Ermittlungsverfahrens möglich;
  • „Beraten statt strafen“  wird im VStG verankert (Voraussetzung: Bedeutung des geschützten Rechtsgutes und Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und Verschulden des Beschuldigten sind gering);
  • Abschaffung der Beweislastumkehr des § 5 VStG bei Strafdrohungen über EUR 50.000,--.
     

Standort-Entwicklungsgesetz

Einer der aktuell größten Aufreger ist der Entwurf für das Standort-Entwicklungsgesetz - StEntG. Nach dem Vorbild der Beschleunigungseffekte für Genehmigungsverfahren für transeuropäische Infrastrukturen auf europäischer Ebene soll für standortrelevante Vorhaben im besonderen öffentlichen Interesse der Republik Österreich nun ein Pendant geschaffen werden. Diesbezüglich hat die Diskussion gerade erst begonnen (siehe dazu auch den Beitrag von Paul Reichel auf www.umweltrechtsblog.at, sodass man sich zum jetzigen Zeitpunkt auf eine kurze Vorstellung der wesentlichsten Eckpunkte beschränken muss, da erwartet werden darf, dass sich im Zuge der Begutachtung wohl noch Änderungen ergeben werden:

  • Einrichtung eines Standortentwicklungsbeirates, der die Bundesregierung unterstützend Empfehlungen über die Aufnahme bestimmter Vorhaben in eine Standort-Entwicklungs-Vorhaben-Verordnung abgibt;
  • Schaffung eines Verfahrens zur Aufnahme bestimmter Vorhaben in eine Standort-Entwicklungs-Vorhaben-Verordnung und solcherartigen Bestätigung des Vorliegens besonderer öffentlicher Interessen der Republik Österreich an deren Verwirklichung;
  • Schaffung von Sonderbestimmungen für das Genehmigungsverfahren (Ausschluss von Vorbringen nach der mündlichen Verhandlung, Ausfolgung des Bescheides innerhalb von acht Wochen nach der Verhandlung, enges Fristenmanagement und Genehmigungsfiktion im Falle behördlicher Untätigkeit, Beschränkung des Prozessstoffes im Rechtsmittelverfahren).

Teils wurden dem Entwurf in der populärwissenschaftlichen Literatur bereits Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit attestiert, teils in einer Vehemenz als würde bereits ein kundgemachtes Gesetz vorliegen. Man wird wohl zunächst abwarten müssen, wie denn die Regierungsvorlage dann tatsächlich aussehen wird ...

 

UVP-G-Novelle

Noch im Begutachtungsstadium befindet sich ein Vorschlag für eine Novellierung des UVP-G 2000 zur Umsetzung der UVP-ÄnderungsRL. Hier die Highlights:

  • Österreich bekommt einen „Standortanwalts“, der als Partei des Genehmigungsverfahrens öffentliche Interessen an der Verwirklichung eines Vorhabens wahrnehmen;
  • Neufassung der UVP-Schutzgüter in Umsetzung der UVP-ÄnderungsRL;
  • Hinsichtlich der Zuständigkeit für Feststellungsverfahren bei bundesländergreifenden Vorhaben wird das „Überwiegensprinzip“ eingeführt: örtlich zuständig soll jene Behörde sein, in deren Bundesland sich der Hauptteil des Vorhabens befindet;
  • eine Prozessförderungspflicht light wird verankert: Beweisanträge und neues Vorbringen sind bis spätestens in der mündlichen Verhandlung zu stellen bzw zu erstatten; abweichend von den oben beschriebenen Regelungen im AVG soll nach Schluss des Beweisverfahrens keine Wiedereröffnung aufgrund eines Parteienantrages möglich sein;
  • „Einfrieren“ des Standes der Technik zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung;
  • keine Senatszuständigkeit mehr für Feststellungsverfahren vor dem BVwG;
  • Anpassung diverser UVP-Tatbestände und Mengenschwellenwerte.

 

Aarhus-Beteiligungsgesetz

Wir schreiben das Jahr 2018 und Österreich beginnt rechtzeitig zum bevorstehenden 17. Jahrestag des Inkrafttretens (30.10.2001) und doch auch schon 12 (!) Jahre nach der Ratifikation seine (völkerrechts-)vertraglichen Verpflichtungen umzusetzen. Was diesbezüglich in den wesentlichsten Umweltrechtsmaterien auf uns zukommen wird verrät ein Blick in den aktuellen Begutachtungsentwurf des Aarhus-Beteiligungsgesetzes:

  • NGOs sollen sollen im AWG künftig neben Verfahren zur (Erst-)genehmigung von IPPC-Anlagen auch betreffend Seveso-Verfahren Parteistellung haben, nicht auch hinsichtlich des sonstigen Anlagenrechts;
  • bei einer möglichen „erheblichen Auswirkung“ auf den Gewässerzustand soll nach dem künftigen WRG Art 9 Abs 2 der Aarhus-Konvention anzuwenden und eine UO bereits im behördlichen Verfahren als Partei beizuziehen sein, ansonsten ist “nur” eine Art Beteiligtenstellung vorgesehen;
  • im IG-L sollen regelmäßige Evaluierungen und - unter bestimmten Voraussetzungen - Beschwerderechte verankert werden;
  • Zustellfiktion nach dem Vorbild der GewO wird eingeführt;
  • im AWG-Anwendungsbereich sollen NGOs und bestimmten Voraussetzungen Akteneinsichtsrechte erhalten, im Anwendungsbereich des WRG soll dies differenzierter und einschränkender vorgesehen werden;
  • differenzierte Regelungssysteme für Altbescheide und Übergangsbestimmungen runden den Gesetzesvorschlag jeweils ab.

 

Weitere Gesetzes- und Verordnungsvorhaben

Neben den oben bereits erwähnten Vorhaben darf nicht übersehen werden, dass das Chemikaliengesetz an die EU-Vorgaben über den Umgang mit Quecksilber angepasst werden soll, zudem gibt es eine Novelle zur RecyclingholzVO und auch im Wirtschaftsministerium war man nicht untätig: Die Änderung der 2. Genehmigungsfreistellungsverordnung zur GewO bringt neue Ausnahmen von der Betriebsanlagengenehmigungspflicht.

Dr. Peter Sander, NHP-Wien

Artikel am Umweltrechtsblog: www.umweltrechtsblog.at/blog/blogdetail.html?newsID=%7B005FCB93-9B9C-11E8-A6FD-08606E681761%7D