Novelle des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes 2019 – ein Staatsakt?

  • 2021-02-11T13:29:00+01:00

Neben Maßnahmen gegen die Ausbreitung neuer Corona-Mutationen, der Beschaffung zusätzlicher Impfdosen und einigen Gesetzesnovellen, machte sich der Tagesordnungspunkt „Gesetzesbeschluss des Burgenländischen Landtages vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Gesetz, mit dem das Burgenländische Raumplanungsgesetz 2019 geändert wird“ auf der Agenda des Ministerrats am 10.2.2021 vergleichbar unspektakulär aus. Nach Ende des Ministerrats war die Aufregung im Burgenland aber groß: Die Bundesregierung hatte tatsächlich beschlossen, gegen das Gesetz formell Einspruch zu erheben und zwar wegen einer geplante Abgabe für Windkraft- und Photovoltaikanlagen.

Was war passiert?

Kurz vor Weihnachten beschloss der Burgenländische Landtag eine Novelle des erst 2019 neu erlassenen Raumplanungsgesetzes. Ähnlich einiger Novellen in anderen Bundesländern in jüngster Zeit beinhaltete die Novelle vor allem Regelungen zu einem sparsameren Umgang mit Bauland, einschließlich Maßnahmen zur Baulandmobilisierung sowie zur Sicherstellung von leistbaren Baulandpreisen. Darüber hinaus enthält das beschlossene Gesetz aber auch eine neue Bestimmung zu Photovoltaikanlagen, die Freiflächenanlagen an strenge Voraussetzungen knüpft (und damit wohl erheblich erschwert) sowie eine neue „Windkraft- und Photovoltaikabgabe“. „Als Ausgleich für die durch Photovoltaikanlagen und durch Windkraftanlagen bewirkte Belastung des Landschaftsbilds“, wie es in § 53b der Novelle heißt, will das Land künftig Abgaben einheben. Die Höhe dieser Abgabe ist im Gesetz aber noch nicht definiert, sondern soll erst durch Verordnung der Landesregierung „unter Bedachtnahme auf die Flächengröße der Photovoltaikanlagen und die Höhe und Leistung der Windkraftanlagen“ festgelegt werden – eine nicht gerade sehr konkrete Formulierung.

An dieser Stelle kommt nun die Bundesregierung ins Spiel: Gemäß § 9 Abs. 1 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 sind Gesetzesbeschlüsse der Landtage, die Landes(Gemeinde)abgaben zum Gegenstand haben, unmittelbar nach der Beschlussfassung des Landtages und noch vor ihrer Kundmachung vom Landeshauptmann dem Bundeskanzleramt bekanntzugeben. Wegen Gefährdung von Bundesinteressen kann die Bundesregierung gemäß § 9 Abs. 2 F-VG 1948 gegen diesen Gesetzesbeschluss innerhalb von acht Wochen einen mit Gründen versehenen Einspruch erheben, wobei dieses Recht unbeschränkt und nicht an rechtliche Bedenken geknüpft ist (vgl. Muzak, B-VG6, § 9 F-VG, Rz 3). Dies geschieht zwar äußerst selten, im Fall der Novelle des Bgld. RPG 2019 wurde nun aber doch ein derartiger Einspruch beschlossen – übrigens am letzten Tag der achtwöchigen Frist.

Was sind die Kritikpunkte der Bundesregierung…

Laut dem auf der Website des Bundeskanzleramts verfügbaren Ministerratsvortrag des zuständigen Finanzministers sieht die Bundesregierung eine Gefährdung von Bundesinteressen durch die beschlossene Windkraft- und Photovoltaikabgabe und befürchtet ganz konkret, dass sich diese Abgabe kontraproduktiv auf die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen bzw. Photovoltaikanlagen auf Freiflächen auswirken wird. Dies wiederum hätte negativen Einfluss auf das im aktuellen Regierungsprogramm festgelegte Ziel, die Stromversorgung in Österreich bis 2030 auf 100% Ökostrom bzw. Strom aus erneuerbaren Energieträgern umzustellen. Eine „regionale Zusatzabgabe“, so die Befürchtung, würde nicht nur die angestrebte Standort-Differenzierung innerhalb Österreichs erschweren, sondern sich auch ganz generell negativ auf die Wirtschaftlichkeit und das Investitionsklima auswirken. Schließlich stößt sich die Bundesregierung auch noch daran, dass die Höhe der Abgabe erst mit Verordnung festgelegt werden soll, was dem Determinierungsgebot des Art. 18 B-VG widersprechen könnte. 

…und was steckt hinter der geplanten Abgabe?

Den Gesetzesmaterialien zum geplanten § 53b Bgld. RPG 2019 ist hinsichtlich der Motivation für die Einführung der umstrittenen Abgabe kaum mehr zu entnehmen als dem Gesetzestext selbst. Demnach würden Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen „das Landschaftsbild belasten“, weshalb für das Land und die Gemeinden ein abgabenrechtlicher Ausgleich geschaffen werden soll. Diese knappe Begründung lässt die Vermutung aufkommen, dass die offenkundige Sorge um das burgenländische Landschaftsbild möglicherweise nicht das einzige Motiv für die Einführung einer derartigen Abgabe war – zumal, wie die Bundesregierung in ihrer Einspruchsbegründung etwas spitz, aber inhaltlich zutreffend ausführt, eine derartige Abgabe zu keinem Schutz des Landschaftsbildes führt. Liest man § 53b gemeinsam mit der beschlossenen neuen Bestimmung zu Freiflächen-PV-Anlagen (§ 53a), könnte man auch den Eindruck gewinnen, dass der burgenländische Landesgesetzgeber offensichtlich das Wachstum von Windkraftanlagen und Freiflächen-PV-Anlagen im Land bremsen möchte, was aber von der Landespolitik dementiert wird. Laut Medienberichten erklärte der burgenländische Infrastrukturlandesrat vielmehr, dass mit der Abgabe ein „rechtlicher Graubereich“ beseitigt werde. Damit spielt er offensichtlich auf die (durchaus weit verbreitete) Praxis an, dass Gemeinden als Ausgleich für die Errichtung größerer Windparks auf ihrem Gemeindegebiet Zahlungen von den Betreibern der Anlage erhalten. Allerdings: wenngleich derartige Zahlungen in der Vergangenheit unter dem Stichwort „Korruptionsverdacht“ mehrmals für Aufregung sorgten, gelten sie als strafrechtlich unbedenklich, sofern sie – in einen sauberen Vertrag gegossen – als Ausgleich für tatsächlich entstehende, konkret benannte Nachteile gezahlt werden. Wohl unbestritten entstehen auf Gemeindeebene tatsächlich Nachteile bei der Errichtung größerer Anlagen (etwa Baulärm, Beeinträchtigung des Landschaftsbilds, nachhaltiger Verlust von Naherholungsraum etc.), während das Bundesland als Ganzes vom Ausbau im Bereich erneuerbarer Energien durchaus profitiert. Das Burgenland war (und ist) schließlich stolz darauf, rein rechnerisch bereits heute stromautark zu sein, was nur dank des enormen Ausbaus der Windkraft in den letzten beiden Jahrzehnten möglich ist. Wenngleich hier über die dahinterliegenden Motive des burgenländischen Landesgesetzgebers nur spekuliert werden kann, bleibt daher der schale Eindruck, dass Geldbeschaffung für das Land möglicherweise kein gänzlich unrelevantes Motiv war, sollen doch nur 50% der geteilten Abgabe der Standortgemeinde zufließen, die restlichen 50% gehen ins allgemeine Landesbudget. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass die politisch gegensätzlich eingefärbte Bundesregierung eine derartige Abgabe, deren Umweltziele vordergründig nicht leicht erkennbar sind, nicht einfach abgenickt hat, wenn dadurch eine Verzögerung eines ihrer Prestigeprojekte zu befürchten steht.

Wie geht es jetzt mit der Novelle des Bgld. RPG 2019 weiter?

Formal liegt nach dem Einspruch der Bundesregierung der Ball nun wieder beim Burgenländischen Landtag. Fasst dieser einen Beharrungsbeschluss, nimmt ein kompliziertes Prozedere seinen Lauf, an dessen Ende ein aus je 13 Nationalrats- und Bundesratsabgeordneten gebildeter Ausschuss über den Einspruch der Bundesregierung entscheidet, wenn auch letztere weiterhin auf ihrer Meinung beharrt (vgl. § 9 Abs. 4-10 F-VG 1948). Angesichts der politischen Kräfteverhältnisse auf Landes- und Bundesebene ist das kein unrealistisches Szenario, das durch die derzeit knappe Mehrheit der Opposition im Bundesrat noch zusätzliche Brisanz erhält. Beschließt übrigens der gemeinsame Ausschuss binnen sechs Wochen nach Einlagen, dass der Einspruch der Bundesregierung aufrecht bleibt, ist das Gesetzgebungsverfahren des Landes beendet, andernfalls kann das Gesetz kundgemacht werden (vgl. Kofler in Kneihs/Lienbacher (Hg.), Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, § 9 F-VG, 8f). Mangels ausdrücklicher Anführung im B-VG könnte weder das Burgenland noch die Bundesregierung den Beschluss des Ausschusses beim VfGH anfechten, die Bundesregierung hätte allerdings in weiterer Folge die Möglichkeit, den VfGH wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit des dann kundgemachten Gesetzes anzurufen. Es bleibt daher spannend, wie das Tauziehen weitergeht und ob am Ende eine vielleicht unscheinbar wirkende Novelle zum großen Staatsakt wird.

Inhaltlich offenbart die Novelle bzw. der jetzige Konflikt zwischen Bund und Burgenland aber auch abgesehen von der Frage der Abgabeneinhebung ein Spannungsfeld zwischen zwei Umweltzielen: Wie kann der Ausbau erneuerbarer Energien schnellstmöglich vorangetrieben werden, während gleichzeitig auch der Schutz wertvoller Ackerböden ein Gebot der Stunde ist? Hier strategisch sinnvolle Lösungen zu entwickeln (die etwa, mithilfe neuer Technologien, auch beide Ziele kombinieren), wäre tatsächlich eine große Aufgabe für Bund und Länder, die aber wohl nur von allen gemeinsam bewältigt werden kann.

Katharina Häusler, Wien