RED III Paradigmenwechsel bei den Genehmigungsverfahren

  • 2023-12-21T13:30:00+01:00

Jetzt wird‘s ernst: Am 20. November ist der Startschuss für den Gesetzgeber gefallen, die Vorgaben der geänderten Erneuerbare-Energie-Richtlinie (vulgo „RED III“) in nationales Recht umzusetzen. Insbesondere die Beschleunigungselemente für Genehmigungsverfahren sind innovativ. Sie stellen die Behörden aber auch vor so manche Herausforderung.

Gordischer Knoten Verfahrensrecht

Die Dauer der Genehmigungsverfahren wird oft als einer der Hauptgründe für den mitunter schleppenden Ausbau von Windkraft & Co gesehen. Das interessante dabei: Selten sind sich die politischen Parteien so einig, wie wenn es um den Abbau bürokratischer Hürden für die Genehmigungsverfahren geht. Und dennoch ist die Reform des Verfahrensrechts aufgrund verschlungener Interessenslagen und föderaler Strukturen ein gordischer Knoten, der schon so manchen Versuch, ihn zu durchschlagen, unbeschadet überstanden hat. Nun aber müssen Bundes- und Landesgesetzgeber abliefern, wollen sie Vertragsverletzungsverfahren mit potentiellen Strafverfahren in Millionenhöhe vermeiden. Mit der RED III hat die EU den Mitgliedstaaten nämlich bisher (zumindest im Umweltrecht) präzedenzlose Vorgaben gesetzt.

Ausweisung von Beschleunigungsgebieten

Zunächst hat Österreich bis zum 25. Mai 2025 die für den zielkonformen Ausbau von Erzeugungsanlagen, Speicher und Netze erforderlichen Flächen zu erfassen (auch als „Mapping“ bezeichnet; Art. 15b). Im nächsten Schritt sind bis 21. Februar 2026 „ausreichend“ – das heißt in einem Ausmaß, wie es für die Erreichung der Erneuerbaren-Ziele erforderlich ist –  Beschleunigungsgebiete für erneuerbare Energie auszuweisen (Art. 15c). Dabei darf nicht übersehen werden, dass sich die Verpflichtung nicht auf grünen Strom beschränkt; es sind also auch Beschleunigungsgebiete für die Infrastruktur zur Erzeugung von erneuerbaren Gasen und Wärme vorzusehen. Die Mitgliedstaaten können aber entscheiden, für Wasser- und Biomassekraftwerke (und nur für diese Technologien) keine Beschleunigungsgebiete festzulegen. Neben den Erzeugungsanlagen profitieren auch Speicher am selben Standort und der erforderliche Netzanschluss von der gebietsbezogenen Beschleunigungswirkung. Auch für die Netze und selbstständigen Speicheranlagen können – soweit diese für die Energiewende erforderlich sind – die Mitgliedstaaten Beschleunigungsgebiete vorsehen (sogenannte „Infrastrukturgebiete“ gemäß Art. 15e); eine Pflicht hierzu besteht allerdings nicht.

Schutzmaßnahmen auf Planungsebene

Neben der geographischen Abgrenzung des Gebiets sind in dem Planungsakt (der wohl in der Rechtsform einer Verordnung ergehen wird) je nach Technologie Vorgaben zur Projektierung und Maßnahmen zur Minderung der Umweltauswirkungen vorzusehen. Bewegt sich ein Projekt in dem durch den Planungsakt vorgezeichneten Rahmen, profitiert es von umfassenden rechtlichen Erleichterungen: Zum einen wird – widerleglich? – vermutet, dass die Erzeugungsanlage nicht gegen natur- und artenschutzrechtlichen Verbote verstößt. Zum anderen sind die Projekte weder einer UVP noch einer Naturverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, es sein denn, die Behörde stellt im Rahmen eines sogenannten Screening-Verfahrens fest, dass im konkreten Einzelfall erhebliche und unvorhergesehene Umweltbeeinträchtigungen zu erwarten sind. Es wird also maßgeblich auf die zwingend durchzuführende strategische Umweltprüfung der Beschleunigungsgebietsausweisung ankommen. Nur wenn diese fachkundig und vollständig die Umwelteffekte erhebt und effektive Minderungsmaßnahmen auf abstrakter Ebene vorschreibt, kann sich die vollständige Beschleunigungswirkung entfalten. Anders gewendet: eine schlechte Ausweisung des Beschleunigungsgebiets könnte für den/die Projektwerber*in mehr Fluch als Segen sein, wenn dem Screening-Verfahren erst recht wieder eine projektbezogene Umweltprüfung folgt.

Verpflichtende Entscheidungsfristen für die Behörden

Die RED III packt mitunter aber auch den Holzhammer aus. So werden für bestimmte Vorhaben Fristen für die Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide vorgegeben. Wie lange die Behörden für die Ausfertigung ihrer Entscheidung Zeit haben, hängt von Standort, Technologie und bestimmten Projektparametern ab. Die Fristsetzung bezieht sich meines Erachtens dabei auf alle für die Errichtung und den Betrieb der Anlagen erforderlichen Genehmigungsverfahren, also nicht etwa nur auf die Anlagengenehmigung nach ElWOG oder GewO, sondern auch auf andere Materiengesetze, wie den Naturschutz oder das Wasserrecht. Folgende „Deadlines“ werden den befassten Behörden gesetzt:

  • Über Projekte in Beschleunigungsgebieten ist binnen 12 Monaten zu entscheiden (Art. 16a Abs. 1); handelt es sich um Repowering-Projekte (egal welcher Erzeugungstechnologie!), Erzeugungsanlagen unter 150 kW oder Speicher am selben Standort, beträgt die Maximalfrist 6 Monate (Art. 16a Abs. 2). Befinden sich die Vorhaben außerhalb der Beschleunigungsgebiete, gelten Fristen von zwei Jahren bzw. 12 Monaten (Art. 16b Abs. 1 und Abs. 2). Diese allgemeinen Entscheidungsfristen verbessern die Stellung von Projektwerbern nicht unbedingt: nach allgemeinem Verfahrensgesetz (§ 73 AVG) gilt in Österreich grundsätzlich, dass die Behörde ohne unnötigen Aufschub, längstens aber nach sechs Monaten zu entscheiden hat. Hier sind also die nationalen Standards – mögen sie in der Praxis auch nicht immer eingehalten werden – strenger als jene der RED III.
  • Knackigere Fristen wird Österreich aber für Solaranlagen und Wärmepumpen vorsehen müssen. Während die Regel, dass über den Netzanschluss von Repowering-Projekten mit einer Kapazitätssteigerung von maximal 15 % binnen drei Monaten entschieden werden muss (Art. 16d Abs. 1), in Österreich wohl mangels hoheitlicher Netzanschlussgenehmigung nur von untergeordneter Relevanz ist, sind die Vorgaben für Solaranlagen und Wärmepumpen sehr relevant. Genehmigungsverfahren für Solaranlagen (PV und Solarthermie!) auf künstlichen Strukturen (zB Aufdach-Anlagen) dürfen maximal drei Monate dauern, handelt es sich um Anlagen unter 100 kW gar nur einen Monat, wobei bei Solaranlagen mit ausreichendem Netzanschluss – anders als bei den anderen Entscheidungsfristen – eine Genehmigungsfiktion greift, wenn die Behörde nicht fristgerecht reagiert. Für Wärmepumpen mit einer elektrischen Leistung bis 50 MW und Erdwärmepumpen gilt eine maximale Entscheidungsfrist von einem Monat respektive drei Monaten. Zum Schutz des kulturellen oder historischen Erbes bzw. aus Landesverteidigungs- oder Sicherheitsgründen kann in bestimmten Gebieten die Anwendung der verkürzten Entscheidungsfristen für Solaranlagen und Wärmepumpen suspendiert werden.

Die Fristen beginnen mit dem vollständigen Einlangen der Unterlagen zu laufen und beziehen sich lediglich auf die erstinstanzliche Entscheidung. Die Beschwerdeverfahren (etwa bei einem Verwaltungsgericht) sind nicht mitumfasst. Hinsichtlich dieser Rechtsmittelverfahren sieht die RED III zwar vor, dass die „zügigsten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren“ zur Anwendung zu bringen sind; mangels spezieller Eilverfahren geht diese Vorgabe in Österreich aber zumindest bei den Sachentscheidungen ins Leere. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, was passiert, wenn die Genehmigungsbehörde die vorgegebenen Fristen nicht einhalten kann. Mit Ausnahme der Sonderkonstellation Aufdach-Solaranlage unter 100 kW (hier greift eine Genehmigungsfiktion) ist der Säumnisschutz eher schwach ausgeprägt. Konsequenz einer nicht fristgerechten Entscheidung wäre im Wesentlichen ein – möglicher – Zuständigkeitsübergang auf das Verwaltungsgericht nach entsprechendem Antrag der Projektwerberin. Etwaige Amts- und Staatshaftungsansprüche könnten zwar zudem bestehen, sie sind in der Praxis aber schwer durchzusetzen.

Überragendes öffentliches Interesse bis zur Klimaneutralität

Bei der Durchführung von Interessenabwägungen in gewissen umweltrechtlichen Verfahren haben die Behörden anzunehmen, dass die Planung, der Bau und der Betrieb von Erzeugungsanlagen für Energie aus erneuerbaren Quellen sowie ihr Netzanschluss, das betreffende Netz selbst und die Speicheranlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dienen. Konkret schreibt Art. 16f diese Überwiegensvermutung für folgende Verfahren vor:

  • Ausnahmebewilligungen vom Natura-2000-Gebietsschutz (Art. 6 Abs. 4 FFH-RL);
  • Ausnahmebewilligungen im Falle des Auslösens artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände (Art. 9 Vogelschutz-RL bzw. Art. 16 FFH-RL);
  • Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot bzw. Verbesserungsgebot nach Art. 4 Abs. 7 Wasserrahmen-RL.

In Zukunft heißt es hier also „in dubio pro Projekt“ – wenngleich zu beachten ist, dass die erwähnten Ausnahmetatbestände das Vorliegen weiterer Voraussetzungen erfordern. Die Mitgliedstaaten können die Anwendung dieser Regelung in begründeten Einzelfällen auf bestimmte Teile ihres Hoheitsgebiets sowie auf bestimmte Arten von Technologien oder Projekten mit bestimmten technischen Eigenschaften beschränken. Eine solche Suspendierung des überragenden Interesses ist allerdings nur zulässig, wenn dies im Einklang mit den Prioritäten des Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) steht; sie ist zudem der Kommission mitzuteilen.

Diese Vermutungsregelung ist bis zum 21. Februar 2024 in nationales Recht umzusetzen und bis zum Erreichen der Klimaneutralität aufrecht zu erhalten. Hierzu noch eine Randbemerkung: Dass das überragende Interesse bis zum Erreichen der Klimaneutralität gilt, ist zwar einerseits in Anbetracht der anvisierten Klimaschutzziele konsequent. Die Geltung eines Gesetzes von einem nicht konkret bestimmbaren Ereignis abhängig zu machen, hinterlässt aber aus rechtsstaatlicher Sicht ein etwas schalen Beigeschmack. Etwas weniger Programmatik wäre hier mehr gewesen. Sagen wir also, die Vorgabe der RED III zum überragenden öffentlichen Interesse gilt bis zum Jahr 2050, da soll ja zumindest nach dem EU-Klimagesetz die Treibhausgasbilanz der Union klimaneutral sein.

Schlussbemerkung

Die EU hat mit der RED III ein progressives und weitgehendes Verfahrensbeschleunigungspaket geschnürt. Nun liegt es an Bund und Ländern, die Vorgaben in nationales Recht zu gießen. Es bleibt zu wünschen, dass hier die Staatsräson vor das Verteidigen von Zuständigkeitskompetenzen gestellt wird und die unterschiedlichen Akteur*innen einen Zugang finden, bestehende bürokratische Hürden für den Ausbau von Erzeugungsanlagen, Speichern und Netzen abzubauen. Tatsächlich liegt hier immensens Potential. Das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG), an dem im BMK bereits fleißig gearbeitet wird, bietet eine Chance für ein modernes Energiewende-Verfahrensrecht. Zwar mahlen die Mühlen der Gesetzgebung mitunter etwas langsam. Hilfe kommt aber auch hier aus Brüssel: Quasi zur Überbrückung bis zur RED III-Umsetzung hat die Kommission vor kurzem angekündigt, die nur noch bis 30.6.2024 geltende Beschleunigungs-VO (EU) 2022/2577 um ein weiteres Jahr verlängern zu wollen (der hierzu kompetente Rat hat dem freilich zuzustimmen). Damit würden wesentliche Regelungen zur Verfahrensbeschleunigung vorerst weiterhin direkt in Österreich gelten und zumindest in neu eingeleiteten Verfahren zur Anwendung gelangen.